Renditen von mehr als 7% – und das, obwohl der Leitzins auf einem Rekordtief notiert? Mittelstandsanleihen locken Geldanleger nun schon seit 5 Jahren mit hohen Versprechen und attraktiven Gewinnen. Die Anleihen verbriefen den Tilgungsanspruch des investierten Kapitals zuzüglich Zinszahlungen nach vereinbarten Rahmenbedingungen. Die Realität sieht jedoch ein wenig anders aus: Im Juni des Jahres 2015 waren bereits 34 Fällen bekannt bei denen die Zinszahlungen nicht beglichen worden oder die finalen Tilgungen wegen Insolvenzverfahren ausfielen. Bis 2019 sind Tilgungszahlungen von mehr als 6 Milliarden Euro bei 147 Mittelstandsanleihen fällig – ob die Refinanzierung klappt, ist in einigen Fällen mehr als fraglich. Jede sechste Mittelstandsanleihe ist von akuten Problemen bedroht – Experten erwarten für das laufende Jahr noch mehr Insolvenzen und deutlich weniger Neuemissionen. Das Phänomen betrifft Tausende Privatanleger deutschlandweit.

Minibond & Micro Bond Index

Anleihen zählen zu den verzinslichen Wertpapieren und dienen der langfristigen Fremdfinanzierung bzw. Kapitalanlage. Mittelstandsanleihen sind Schuldscheine mit kurzfristiger Laufzeit, welche von kleinen bis mittelgroßen Unternehmen angeboten werden. Sie werden an Börsen gehandelt oder direkt vom Unternehmen verkauft. In der Regel werden die sogenannten Bonds in einer Stückelung von 1.000€ angeboten und sind vor allem für Privatanleger interessant. Die Geldgeber bekommen für einen festgelegten Zeitraum jährlich Auszahlungen (Kupon) nach einem vereinbarten Zinssatz. Nach Ablauf der Laufzeit wird der Anleihennennwert vom Emittenten zurückgezahlt oder eine vergleichbare Alternative offeriert. Wenn der Gläubiger seine Investition vor Ablauf der Tilgungsfrist nutzen möchte, so kann er die Anleihe zum aktuellen Kurs weiterverkaufen – vorausgesetzt er findet einen Abnehmer. Der börsennotierte Kurs wird in Prozent des Nominalwertes angegeben. Die Wertentwicklungen der Mittelstandsanleihen lassen sich am Micro Bond Index (MiBoX) ablesen – Pleiteunternehmen werden jedoch aus dem Index heraus gerechnet und verfälschen den Kurs maßgeblich. Der Index liegt seit 2011 meistens unterhalb des Startniveaus und zeichnet sich durch starke Schwankungen aus.

5 Jahre Mittelstandsanleihen = Hohes Ausfallrisiko?

WallstreetDer erste Minibond wurde am 01. März 2010 vorgestellt und endete in einem Insolvenzantrag der Windreich AG. Im Falle einer Insolvenz des Emittenten steht es völlig offen, ob die Anleger jemals ihre Investition zurückerhalten – Banks come first! Und selbst wenn die Gläubiger im Insolvenzfall vergütet werden, so ist der Zeitpunkt und die Tilgungshöhe mehr als ungewiss. Unter den Problemfällen sind auch bekannte Unternehmen: Modehersteller Strenesse, Lebensmittelproduzent Zamek, Immobilienanbieter Golden Gate, Schneekoppe oder das Kreuzfahrtschiff MS Deutschland. Ein bekannter Markenname ist keine Garantie für ein sicheres Investment. Auch generierte der Begriff Mittelstand bei den Geldanlegern ein falsches Sicherheitsgefühl – sie assoziieren mit dem Wort eine Wertbeständigkeit, Seriosität, Vertrauen und eine langfristige sowie risikoscheue Unternehmensstrategie. Dass es dabei viele schwarze Schafe gibt, bewies eindrucksvoll die Markteinführungsphase des Finanzproduktes. Viele Anleger mussten am eigenen Leib erfahren, dass die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens lediglich von der Liquidität und dem Marktgeschehen abhängt – und nicht von Namen, Marken, Bekanntheit oder dem Stand. Der bereits entstandene Schaden wird auf über 900 Millionen Euro geschätzt. Die ersten Händler resignieren nach der ernüchternden 5-Jahres-Bilanz und strukturieren das Mittelstandsegment um oder lassen ihn komplett auslaufen. So zum Beispiel die Börse in Stuttgart – der Pioniermarkt für Mittelstandsanleihen nimmt keinen neuen Bonds mehr auf. Auch andere Börsen greifen in die Geschehnisse ein und fordern einen verbindlichen Best Practice Guide für Mittelstandsanleihen. Er soll Investoren als auch Unternehmen eine bessere Orientierung ermöglichen und das negative Marktgeschehen bereinigen.

Strategisches Finanzmittel für die Unternehmensplanung

Natürlich gibt es auch erfolgreiche bzw. sinnvolle Beispiele für Mittelstandsanleihen seit der Markteinführung: 2012 wurde zum ersten Mal auf dem Finanzmarkt die Katjes-Anleihe empfohlen – ausgegeben von der Katjes International GmbH. Die Dachfirma hält die Beteiligungen des Katjes-Konzerns an ausländischen Süßigkeiten-Fabrikanten (Frankreich, Belgien, Niederlande). Die deutschen Produkte werden von der Schwesterngesellschaft Katjas Deutschland verwaltet. Zum Zeitpunkt der Ausschreibung lockte die Anleihe mit 7.125% jährlicher Zinszahlung und war 2,5-fach überzeichnet. Katjes International expandierte mithilfe der Anleihe weiter im Ausland und platzierte nach nur 3 Jahren eine neue Wertpapier-Option. Die neue Katjes-Anleihe bot deutlich günstigere Zinszahlungen von 5.5% bei einer Laufzeit von 5 Jahren. Im Mai wurde die Zeichnungsfrist der Mittelstandsanleihe wegen hoher Nachfrage vorzeitig beendet. Das neue Emissionsvolumen von 60 Millionen Euro nutzte das Unternehmen, um die teureren Anleihen von 2012 im Wert von 45 Millionen abzulösen. Hierfür machte es von der vorzeitigen Anleihen-Kündigungsoption gebrauch. Das Unternehmen zahlte die Investoren zu einem Kurswert von 101% im Juli 2015 aus. Die restlichen 15 Millionen möchte die Geschäftsführung laut Pressemitteilung vorrangig für Investitionen im Ausland nutzen und weiter expandieren.

Augen auf bei Mittelstandsanleihen!

Der vorgestellte Fall verdeutlicht – das Konzept der Mittelstandsanleihen ist grundsätzlich richtig und für Unternehmen eine wichtige sowie strategisch wertvolle Finanzierungsquelle. Jedoch sollten nur Unternehmen mit einer soliden Finanzstruktur zum Markt zugelassen werden. Aktuell empfehlen Börsianer Minibonds mit einem Emissionsvolumen von mindestens 25 Millionen Euro, bei einem Emittenten-Jahresumsatz von 100 Millionen Euro und einer positive Unternehmensbilanz in den letzten drei Jahren. Zusätzlich sollte der Unternehmensgewinn die jährlich zu erwartende Zinslast um das mindestens 2,5-fache übersteigen.

Für interessierte Anleger sind somit die Unternehmensbilanz sowie die Emissions-Kennwerte die ersten Informationsstellen, um eine Anlage zu bewerten. Es gilt zum Beispiel für die jährliche Zinszahlung die Regel: Je höher der Kupon desto größer ist das Risiko der Geldanlage. Ein solides mittelständisches Unternehmen ist aktuell nicht auf hohe Zinszahlungen angewiesen, um Investoren anzulocken. Auch die Rendite ist eine entscheidende Kennzahl. Bei der Berechnung helfen online Anleiherechner oder die Formel: Rendite = 100% x (Nominalzins + (Verkaufskurs – Kaufkurs) /Laufzeit) / Kaufkurs%. Eine zusätzliche Orientierungshilfe liefern die Bewertungen von Rating-Agenturen. Finanzstarke Unternehmen haben eine Bonitätsnote von AA und besser – sie sind trotzdem keine Garantie für ein sicheres Investment. Zu guter Letzt sollte man sich noch den Verwendungszweck der Finanzmittel vor Augen halten: Wird die Emission dazu genutzt, um ein strategisches Ziel zu verfolgen oder werden nur alte Kreditschulden bedient?

Fazit

Der Markt der Mittelstandsanleihen ist nach großen anfänglichen Problemen zwar bereits im Umschwung, jedoch versäumen die großen Handelsplattformen nach wie vor, verbindliche Richtlinien für die Emissionen festzusetzen. Es dürfte wohl noch einige Jahre dauern, bis ein professioneller sowie standardisierter Markt entsteht und die schwarzen Emissions-Schafe aussortiert wurden. Das Finanzprodukt fordert daher von Privatanleger besondere Achtsamkeit. In jedem Fall sollte man sich genug Zeit lassen, alle relevanten Faktoren vor einem Kauf genausten analysieren und – wie immer – das Risiko auf mehrere Geldanlagen aufteilen.